Irgendwann
im Laufe der Zeit wird jeder, der sich für ein Medizinstudium interessiert, auf
den Begriff „Krankenpflegepraktikum“ oder „Pflegepraktikum“ stoßen. Bei den
meisten Bewerbern sorgt vor allem der geforderte Zeitraum von 90 Tagen, die vor
dem Physikum abgeleistet werden müssen, für Schweißausbrüche.
An dieser
Stelle kann ich beruhigen: Es sieht (meistens) schlimmer aus, als es ist.
Zum jetzigen
Zeitpunkt habe ich diese drei Monate bereits hinter mich gebracht. Dabei habe
ich mich an die weitverbreitete Empfehlung gehalten, dies zumindest teilweise schon
vor Studienbeginn zu absolvieren. Hier in Sachsen ist es erlaubt, das Praktikum
in maximal 3 Teile mit je mindestens 30 Tagen aufzuspalten. Informiert euch
hierzu aber auf jeden Fall bei eurem zuständigen Landesprüfungsamt, wie die
Gegebenheiten im Bundesland eurer Wahl sind, damit ihr keine bösen
Überraschungen erlebt!
Im Folgenden
möchte ich euch an einigen Erfahrungen meinerseits teilhaben lassen. Alle
Angaben zu Personen, Schicksalen usw. sind dabei verändert, entsprechen aber
wahren Begebenheiten.
Kurz nach
dem Abitur und nach erfolgreicher Wohnungssuche in der Stadt meiner Träume war
es soweit. Zum ersten Mal trat ich den Weg in ein örtliches kleines Krankenhaus
an, welches als Teil einer großen privaten Klinikkette prädestiniert für mein
Pflegepraktikum war. Dabei verließ ich mich vor allem auf die grandiosen
Versprechungen auf der Internetseite der Klinik und auf die durchweg positiven
Erfahrungen meines Schwagers in spe, der dort sein Klinikpraktikum für den
Rettungsdienst absolvierte.
Also stand
ich dort, in meinen nagelneuen weißen Turnschuhen und wusste nicht wohin mit
mir. Zum Glück erschien zeitnah die wirklich nette Personalleiterin, die mich
sofort mit allen notwendigen Informationen versorgte und mich gemeinsam mit
einer Schülerpraktikantin durchs Haus führte. Trotzdem muss ich zugeben, dass
ich mich noch am ersten Tag das Erste und Letzte Mal verlaufen habe, als ich
meinen Spind suchte…
Am Ende der
Tour wurden wir auf unsere Station geführt: Für die nächsten 60 Tage würde ich
Teil des Pflegeteams auf Station 4 sein. Dort ist zum einen die Innere
untergebracht. Aber auch die Palliativstation ist dort zu finden. Im ersten
Moment war dies ein wenig seltsam, bedeutet es doch ständigen Kontakt mit
sterbenden Menschen. Aber dazu in einem anderen Post mehr.
Die ersten
Tage waren geprägt vom ständigen Nachfragen nach Orten, Namen und ähnlichem.
Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, da ich in einem sehr hilfsbereiten
und dankbaren Team gelandet war. Keine Frage konnte sie nerven. An dieser
Stelle kann ich nur alle ermutigen: Fragt nach, lasst euch Sachen auch drei-
oder viermal erklären. Es ist nur zu eurem Vorteil und die meisten
Krankenschwestern und -pfleger können sich noch gut an ihre eigene Anfangszeit
erinnern und werden euch liebend gerne helfen. Nur solltet ihr ein Gefühl dafür entwickeln, wann man sich vielleicht lieber zurück hält. Wenn mal richtig die Luft brennt, haltet eure Frage nach den physiologischen Zusammenhängen, oder was euch sonst grade einfällt, lieber bei euch. Später bleibt dafür bestimmt noch Zeit.
Natürlich
ist man als Pflegepraktikant, gerade vor dem Studium, Mädchen für alles. Ich
war vor allem damit beschäftigt, Essenswägen zu holen, auf die Ordnung zu
achten und nachmittags die Blutdrücke der Patienten zu messen. Nach und nach
erweiterte sich mein Aufgabenbereich jedoch. Gerade wenn keine anderen
Praktikanten auf Station waren, durfte ich Infusionen anrichten und wechseln,
Patienten waschen und beim Lagern der Pflegefälle helfen.
Das führt
zum nächsten Thema: Vor allem auf der Inneren kommt man in Kontakt mit
jeglicher Art von menschlichen Ausscheidungen. Egal ob vorne, hinten, oben oder
unten – manchmal kommt es überall gleichzeitig raus. Klingt makaber, aber man
gewöhnt sich dran! Vor allem am Anfang hatte auch ich teils mit Würgereiz zu
kämpfen, aber die Kollegen haben dafür Verständnis, keine Sorge! Jeder hat mal
angefangen und jeder muss sich an so etwas erstmal gewöhnen. Wichtig ist es
nur, nicht von vornherein ablehnend zu reagieren. Es wird besser, versprochen! Aber Lehrjahre sind keine Herrenjahre und irgendjemand muss halt auch die unbeliebten Arbeiten übernehmen. Das gehört dazu und falsche Arroganz ala "Ich werde ja eh Arzt!" ist hier absolut fehl am Platz. Ihr seid nun mal das unterste Glied der Nahrungskette und diese Erfahrung ist auch mehr als wertvoll.
Auch Blut
ist ein alltäglicher Begleiter auf Station. Und damit meine ich nicht die
Röhrchen, die man als Praktikant tagtäglich ins Labor bringen darf!
Ich erinnere
mich dabei an folgende Begebenheit: Es war gerade die Visite nach dem
Mittagessen durch, alle Patienten waren mit frischen Infusionen versorgt. Ich
war dabei, die Essenstabletts abzuräumen und ein wenig mit den Patienten zu
schäkern, als aus einem Raum laute Rufe ertönten und die Klingel aufleuchtete.
Bevor ich
mich auf den Weg machen konnte, kam mir eine Zimmerbewohnerin aufgeregt
entgegengelaufen und erzählte etwas von einer Blutlache. Natürlich schrillten
bei mir sofort die Alarmglocken und ich machte mich eilig auf den Weg. Schon im
Türrahmen sah ich das Unglück: Eine ältere Patientin hatte sich beim Umziehen
selbst die Infusionsnadel gezogen. Das Problem dabei war, dass die Infusion
aber noch lief. Da sie außerdem eine von vielen Patienten war, die
blutverdünnende Mittel nehmen, stand sie bald in einem See aus
Infusionsflüssigkeit und Blut.
Sowas sieht
natürlich im ersten Moment schrecklich aus, ist aber halb so wild. Wichtig ist
es nur, die Infusion abzudrehen und Tupfer oder einen Einmalwaschlappen zu
besorgen, um die Blutung aufzuhalten. Um den Boden kümmert sich das
Reinigungsteam (oder man selbst, wenn man nett ist), der zuständige Arzt legt
eine neue Nadel und schon ist es, als wäre nie was passiert.
Natürlich
ist nicht alles einfach und schon gar nicht immer schön. Manchmal fühlte ich
mich wie der letzte Depp vom Dienst, weil ich beinah allein alle vier Flure
abräumen und nebenbei noch tausend andere Dinge erledigen durfte. Die
Beschwerden der Küchenfrauen ob der späten Abgabe der Essenswagen gabs gratis
dazu. An einigen Tagen schaute ich beinah alle zehn Minuten auf die Uhr, wann
denn endlich Feierabend wäre, damit ich daheim todmüde in mein Bett fallen
konnte.
An manchen
Tagen hätte ich sowohl Patienten als auch Kollegen gerne auf den Mond
geschossen.
Aber das war
es wert!
Denn dies
wurde überlagert von so vielen tollen und einzigartigen Momenten.
Besonders in
Erinnerung geblieben ist mir folgende Geschichte: Wir hatten eine Patientin auf
Station bekommen – erst einmal nichts Besonderes. Die Dame zählte schon weit
über 90 Jahre und war überaus unzufrieden mit ihrer Situation. Ständig gab es
etwas auszusetzen und nichts konnte man ihr Recht machen. Gerade mir, als
kleiner Praktikantin, schlug ihr volles Misstrauen entgegen.
Deshalb war
ich nicht gerade begeistert, als ich bei ihr das Betttuch wechseln sollte,
während die Physios im Raum waren.
Doch dann
wurde ich auf einmal um Hilfe gebeten: Ich sollte ihr mit aufhelfen. Natürlich
unter Protest ihrerseits, hatte sie doch zuvor nicht einmal an der Bettkante
sitzen und essen können. Aber auf einmal stand sie auf ihren Beinen! Sogar ein
paar Schritte konnte sie gehen.
Anschließend
saß sie auf dem frischen Laken, blickte die Physiotherapeutin und mich an,
Tränen in ihren Augen: „Das war das erste Mal seit 8 Jahren, das ich auf meinen
eigenen Beinen stand! Ich danke Ihnen!“ Dabei fiel sie immer wieder in
Dankgebete. Es war einfach ein unbeschreiblich ergreifender Moment, diese alte
Dame so überwältigt von ihrer eigenen Kraft zu sehen.
Momente wie
diese sind es, die mich in meinem Berufswunsch bestärken. Ich habe einige
ähnlicher Situationen im Praktikum erlebt. Und das hat all die anstrengenden
Tage wieder wettgemacht. Einen Patienten zu sehen, der sich nach langer
Krankheit wieder selbst waschen und rasieren kann. Familien erleben zu dürfen,
die nach Wochen der Krankenbesuche wieder gemeinsam lachen können. So etwas ist
es, was man gerade als Praktikant erlebt, da man etwas mehr Zeit in den
Patientenkontakt investieren kann, als das Krankenhauspersonal.
Aus diesem
Grund kann ich nur empfehlen: Seht das Pflegepraktikum nicht als lästige
Pflicht! Es ist nur ein weiterer Schritt in Richtung der Erfüllung eures
Traumes und ihr werdet vor allem an Erfahrungen reicher, die euch noch lange
begleiten werden.
Vor allem hat die Zeit auch meinen Respekt vor allen Pflegekräften verzehnfacht. Ihr leistet phänomenale Arbeit! Tausend Dank für euren Einsatz und lasst euch nicht unterkriegen von Politikern, die alles besser wissen, aber nie auch nur einen Tag in solch einem Job gearbeitet haben. Ohne euch, die guten Seelen, wären wir richtig am A****.
In einem der
folgenden Beiträge werde ich noch einmal näher auf die Arbeit auf der
Palliativstation eingehen. Wenn ihr Fragen dazu habt, stellt sie gerne!
Auch über
eure Erfahrungen und Meinungen freue ich mich.
Liebe Grüße,
Kaisa
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