Es ist 7:45
Uhr am Ostersonntag. Ich sitze gerade vor dem Computer und tippe diesen Text,
die ersten zwei Tassen Kaffee habe ich schon weg.
Du fragst
dich vielleicht, was das soll. An einem Feiertag, um diese Uhrzeit am Rechner
zu sitzen, anstatt auszuschlafen oder ein großes Frühstück für die ganze
Familie vorzubereiten.
Tja, was
denkst du wohl, wenn ich dir sage, dass ich heute um 5 Uhr aufgestanden bin?
Nur, um in die Kirche zu gehen?
Ich stelle
mir gerade vor, wie in deinem Kopf die imaginären Schubladen aufgehen. Kirche. Und
das in dem Alter. Bestimmt ein Mauerblümchen. Dazu weltfremd.
Zack,
ploppen noch mehr Vorurteile auf: Christ, da kann ja nur irgendwas nicht stimmen.
Verklemmt. Altmodisch. Total durchgeknallt.
Tja,
Freunde, das ist es, mit was man so konfrontiert wird, wenn man öffentlich zu
seinem Glauben steht. Deshalb ist heute für mich der perfekte Anlass, um einmal
die andere Sicht der Dinge darzustellen. Doch eines vorweg:
Es soll hier
nicht darum gehen, irgendjemanden zu bekehren, ich bin kein Missionar und will
es auch nicht werden. Jeder hat seine eigenen Meinung und wenn ihr das alles
hier für ganz großen Abfall haltet, dann akzeptiere ich das. Im Gegenzug bitte
ich darum, dass ihr vielleicht zumindest versucht, meine Meinung zu tolerieren.
Und bitte, keine Beleidigungen, Mutti liest mit…
Um zu verstehen,
wie das alles zu Stande kommt, müssen wir ein paar Jahre zurückspulen. Lange,
bevor an mich überhaupt zu denken war, hat mein Opa als Pfarrer gearbeitet.
Leider durfte ich ihn nie kennenlernen, aber ich bin mir sicher, dass er trotzdem
von oben auf mich aufpasst. Und vielleicht ist er zumindest ein kleines
bisschen stolz auf das, was ich hier so anstelle.
Jedenfalls
war schon meine Kindheit vom Glauben geprägt. Meine Oma hat mir immer ganz großartige
Bildergeschichten aus der Bibel vorgelesen, das waren so Bücher wo man auch
kleine Fenster aufklappen konnte und so was. Fand ich natürlich entsprechend
faszinierend. Außerdem hat sie ein Talent dafür, diese Geschichten kindgerecht
zu erzählen.
Außerdem
wurde jeden Abend gebetet, manche der kurzen Texte aus meinem Gebetsbuch kann
ich bis heute auswendig und ich freue mich jedes Mal, wenn ich zu einer Gelegenheit
Ausschnitte dieser Gebete höre. Und natürlich sind wir auch ab und an in die
Kirche gegangen. Wobei ich sagen muss, dass mich das eher kalt gelassen hat,
aber schlafen ging auf Mamas Schoß immer und überall. Kirchenschlaf ist sehr
gesund und erholsam, muss ich sagen.
Und so wuchs
ich heran, irgendwann ging ich zur Christenlehre in die Gemeinde, das war auf
jeden Fall sehr spaßig. Wir haben jede Menge gebastelt und es gab auch die ein
oder andere Geschichte zu hören. Ach ja, gesungen wurde auch immer ganz viel,
halt so Sachen, die Kindern Spaß machen.
Der
Religionsunterricht in der Schule war eine andere Sache. In meinen 12 Schuljahren
habe ich so manchen Reli-Lehrer erlebt und na ja, abgesehen von einem war das
alles eher Mist. Abgesehen davon kannte ich das meiste auch schon aus meiner
Kindheit, war also eher langweilig – aber ein Selbstläufer, bei dem gute Noten
ohne Aufwand heraussprangen.
In der 7.
Klasse wurde es dann Zeit, sich zu entscheiden: Im nächsten Jahr Konfirmation
oder Jugendweihe?
Die Gegend,
aus der ich komme, ist ehemaliges Grenzgebiet. Das heißt, dass viele Familien
schon in der DDR dort gewohnt haben. Damals war Kirche nicht unbedingt ‚IN‘, was
sich bis heute durchzieht. So haben sich die meisten meiner Freunde für die
Jugendweihe entschieden, auch die, mit denen ich noch ein paar Jahre vorher in
der Christenlehre Kerzen gebastelt habe. In meiner Familie herrschte hingegen
das Credo: Entweder Konfirmation oder es gibt keine Feier und keine Geschenke.
Für euch mag
das vielleicht hart klingen, aber für mich stand etwas anderes als Konfi nie so
richtig zur Debatte.
Also habe
ich mit zwei anderen Jugendlichen, darunter meiner besten Freundin, JA zur
Kirche gesagt. Damals hatte das für mich aber nicht so richtig eine Bedeutung,
muss ich zugeben. Das kam erst ein bis zwei Jahre später.
Meine beste
Freundin zerrte mich zu einem Jugendgottesdienst in die Landeshauptstadt. Dort
traf ich wider Erwarten meine Cousine (hier beliebigen Grad >2 einfügen…),
die ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Wie sich herausstellte arbeitet sie
beim CVJM, der auch diesen Gottesdienst organisierte. Und so rutschte ich da
auch rein, beim nächsten Mal war ich schon als Mitarbeiter unterwegs, das ist
jetzt fast 5 Jahre her und ich bin immer noch sehr begeistert davon. Inzwischen
bin ich nicht nur beim Jugendgottesdienst dabei, sondern fahre auch demnächst
mit auf die Zeltstadt, eine Woche christliches Zeltlager in ganz groß.
In der bisherigen
Zeit habe ich viele ganz tolle und faszinierende Menschen getroffen. Und es ist
so toll, dass wir alle etwas haben, das uns verbindet: Den Glauben.
Über die
Jahre habe ich zu diesem Thema unglaublich viel gelernt, bin gereift und
erwachsen geworden. Ich weiß jetzt, dass mehr dahinter steckt, als sich am
frühen Sonntagmorgen von einem älteren Herren von der Kanzel berieseln zu
lassen. Und es gibt so viel mehr christliche Musik, als die verstaubten Kirchenlieder, die so
hoch angesetzt sind, dass es nur noch furchtbar schief klingt. Wer Lut auf ein paar Liedempfehlungen hat, darf sich gerne melden!
Ich war nie
jemand, der jeden Sonntag in die Kirche geht. Ja, ich bin Mitglied der
Evangelischen Kirche und nein, ich habe nicht vor, auszutreten. Es passiert
viel und einiges davon ist ganz große Scheiße, sind wir doch ehrlich. Aber es
bringt nichts, davor wegzulaufen. In meiner Gemeinde passiert ganz viel
Jugendarbeit und ich freue mich, dass wir jetzt ein Jugendzentrum aufbauen
können. Es ist genial, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein, die sich über
Generationen hinweg irgendwie zusammenrauft und miteinander auskommt. Es gibt
noch einige Hürden und vieles werden wir wohl auch einfach nicht mehr
bewältigen können. Aber wenn jeder einen kleinen Teil dazu beiträgt, dann
können wir eines Tages die alten Herren mit ihren festgefahrenen und
verstaubten Einstellungen ablösen.
Nein, der
Glaube passiert außerhalb der Kirchenmauern. Für mich geht es darum, mich an den
Normen und Werten zu orientieren, die ich schon in die Wiege gelegt bekommen
habe. Und da steht ganz viel Liebe im Mittelpunkt! Ganz oben: Nächstenliebe.
Ich habe mich schon immer sozial engagiert und für mich ist es keine Arbeit,
jemandem zu helfen. Es ist eine Selbstverständlichkeit.
Ein anderes
Thema ist Vergebung. Ich muss gestehen, dass mir das nicht immer leicht fällt.
Wenn ich mit jemandem überhaupt nicht zurechtkomme, dann ist es schwer, ihm
Fehltritte zu verzeihen. Und doch finde ich es so wichtig, schließlich ist
niemand von uns auch nur annährend perfekt.
Ihr denkt
jetzt vielleicht: „Dafür brauche ich doch keine Kirche! Normen und Werte? Finde
ich in der Verfassung!“ Tja, tut mir leid, es euch sagen zu müssen: Vieles, was
in unserer Verfassung steht, steht auch so ähnlich in der Bibel. Und jetzt überlegen
wir mal, was älter ist.
Da sind wir
auch schon beim nächsten Thema: Die Bibel. In der Vergangenheit ist viel
Unrecht passiert, was mit diesem Buch gerechtfertigt wurde. Wir töten Menschen
anderer Religionen? Oder welche, die eben nicht an Gott glauben? Passt, steht
doch so in der Bibel!
Freunde, so leicht
ist das aber nicht! Nur, weil in einem Buch, was vor verdammt langer Zeit
geschrieben wurde, steht, dass du nach dem Tod deines Bruders dessen Frau heiraten
sollst, machst du es doch auch nicht! Deshalb finde ich Fundamentalisten und
Extremisten, egal welche Einstellung (politisch oder religiös), ganz furchtbar.
In der
Schule habe ich mal gelernt, dass man Texte nicht einfach nur lesen, sondern
analysieren und interpretieren soll. Und das gilt ganz besonders für alte
Texte. Ich für meinen Teil lese gerne Bibel, weil ich die Geschichten so schön
finde, vieles ist einfach nur faszinierend und wer mal wissen will, wie die
Leute von „Supernatural“ auf ihre Ideen kommen, sollte sich mal die
Offenbarungen des Johannes näher anschauen.
Natürlich
muss man kein Abi haben, um zu verstehen, dass die Sache mit Adam und Eva in
der Form nicht funktioniert. Und dass man mit über 100 keine Kinder mehr
bekommen kann, schon gar nicht so viele. Aber muss deswegen alles Schrott sein,
was drin steht?
Für mich ist
die Welt durchaus von Gott geschaffen. Nicht in sieben Tagen. Aber man muss die
Tage ja nicht so wortwörtlich nehmen… Ich kann und will mir einfach nicht
vorstellen, dass das ganze Leben einfach nur ein Zufall war, und dass wir ohne
jeden Sinn leben und sterben, einfach nur, weil irgendwo ein paar Moleküle spontan
gesagt haben: Jo, Leben, klingt geil, lass mal machen! (So leicht war es nicht,
ist mir schon klar…) Da muss es doch noch mehr geben! Ja, ich bin ein
Verfechter der Naturwissenschaften, warum auch nicht? Ist doch alles logisch!
Nur mit dem Unterschied, dass ich denke, dass unsere Begabung dafür nicht
zufällig ist, sondern eben gottgewollt.
Ja, ich
glaube auch daran, dass Jesus gelebt hat. Und auch daran, dass er gestorben und
auferstanden ist. Bis auf den letzten Teil ist übrigens auch viel historisch
nachzuvollziehen, wenn auch nicht ganz wie es in der Bibel steht.
Und trotzdem
glaube ich, dass er für unsere Sünden gestorben und für uns wieder auferstanden
ist. Heute ist Ostern! Heute ist der Tag der Tage, an dem wir das Leben feiern
wie nie!
Diese
Auferstehungssache gibt uns jetzt keinen Freifahrtschein, dass wir tun und
lassen können, was wir wollen. Jeder ist für seine Taten verantwortlich und
jeder hat sich an geltendes Recht zu halten. Doch es ist so befreiend, wenn man
weiß, dass es jemanden gibt, dem man nicht egal ist, der einen liebt, auch wenn
man so richtig verkackt hat, abgesehen von der Familie (die haben eh keine Wahl).
Abgesehen
davon finde ich die Vorstellung, dass der Körper nach dem Tod einfach nur unter
der Erde verrottet mehr als gruselig. Es ist tröstlich, wenn ich mir vorstelle,
dass meine Seele dann schon an einem anderen Ort ist. Wo das ist? Keine Ahnung!
Aber eines Tages werde ich es herausfinden.
Und ja, ich
bete! Wenn es schwierig ist, dann bete ich um Hilfe, um eine Eingebung, wohin
mich mein Weg führen soll. Und wenn man sich darauf verlässt, dann kommt auch
Antwort. Das heißt nicht, dass man vor einer Prüfung um richtige Antworten betet
und dann nicht mehr lernt. So funktioniert das nicht! Ich bitte dann um
Durchhaltevermögen, um Stärke und um ein Quäntchen Glück.
Es ist
schwer zu beschreiben, aber man merkt es, wenn man auf dem falschen Weg ist.
Mein Medizinstudium zum Beispiel. Egal, wie sehr ich mich angestrengt und was
ich versucht habe: Ich bin immer wieder durchgefallen! Obwohl ich die Themen
verstanden habe und obwohl ich mir sicher war, alles gewusst zu haben. Am Ende
hat dann der entscheidende Punkt gefehlt. Und wenn man sowas über einen
längeren Zeitraum immer wieder erlebt, beginnt man schon, sich Gedanken zu
machen. Jetzt geht es mir gut. Ich merke, dass ich auf dem Weg dorthin bin, wo
ich ankommen, wo ich meine Berufung finden werde. Und es ist ein tolles Gefühl!
Wenn es mir
dann gut geht, wie zurzeit, dann danke ich Gott für alles, was er mir schenkt.
Für meine Privilegien und das Glück, was ich mit meiner Familie und meiner
Beziehung habe. Für meine Freundschaften. Für mein tolles Leben.
Ihr merkt,
Christ sein hat ganz viel mit Freude und Dankbarkeit zu tun, mit Liebe und
Geborgenheit. Es ist immer jemand da, zu dem ich sprechen kann, der mir meinen
Weg zeigt, wenn ich nicht weiter weiß. Und ich bin stolz darauf, dass ich ein
Teil des großen Ganzen sein darf, dass ich früh um 5:30 Uhr unter freiem Himmel
am Osterfeuer stehe, wo vorne zwei Jugendliche getauft werden. Und trotz der
frühen Uhrzeit sieht man überall nur lächelnde Gesichter.
Wenn ihr
jetzt immer noch denkt: „Boah, die Alte hat doch nen Sockenschuss!“, dann ist
das okay. Ich kann verstehen, wenn ihr denkt, dass ich weltfremd bin und mir
das Leben zu leicht mache. Und ich kann damit leben, wenn ihr jetzt den
größtmöglichen Abstand sucht.
An alle anderen:
Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, diesen Text zu lesen und vielleicht ein
klein wenig besser zu verstehen, warum ich so handle wie ich es tue. Jetzt
kennt ihr mich noch ein bisschen besser und ich hoffe, dass ihr mich weiterhin
auf meinem Weg begleitet.
Und nun
wünsche ich euch ein frohes und gesegnetes Osterfest! Geht raus in die Sonne,
genießt das Leben und macht was aus dem Geschenkt, auf dieser Welt zu sein.
Liebe Grüße,
Kaisa