Sonntag, 21. April 2019

Ich bin Christ und stolz drauf!


Es ist 7:45 Uhr am Ostersonntag. Ich sitze gerade vor dem Computer und tippe diesen Text, die ersten zwei Tassen Kaffee habe ich schon weg.
Du fragst dich vielleicht, was das soll. An einem Feiertag, um diese Uhrzeit am Rechner zu sitzen, anstatt auszuschlafen oder ein großes Frühstück für die ganze Familie vorzubereiten.
Tja, was denkst du wohl, wenn ich dir sage, dass ich heute um 5 Uhr aufgestanden bin? Nur, um in die Kirche zu gehen?
Ich stelle mir gerade vor, wie in deinem Kopf die imaginären Schubladen aufgehen. Kirche. Und das in dem Alter. Bestimmt ein Mauerblümchen. Dazu weltfremd.
Zack, ploppen noch mehr Vorurteile auf: Christ, da kann ja nur irgendwas nicht stimmen. Verklemmt. Altmodisch. Total durchgeknallt.

Tja, Freunde, das ist es, mit was man so konfrontiert wird, wenn man öffentlich zu seinem Glauben steht. Deshalb ist heute für mich der perfekte Anlass, um einmal die andere Sicht der Dinge darzustellen. Doch eines vorweg:
Es soll hier nicht darum gehen, irgendjemanden zu bekehren, ich bin kein Missionar und will es auch nicht werden. Jeder hat seine eigenen Meinung und wenn ihr das alles hier für ganz großen Abfall haltet, dann akzeptiere ich das. Im Gegenzug bitte ich darum, dass ihr vielleicht zumindest versucht, meine Meinung zu tolerieren. Und bitte, keine Beleidigungen, Mutti liest mit…

Um zu verstehen, wie das alles zu Stande kommt, müssen wir ein paar Jahre zurückspulen. Lange, bevor an mich überhaupt zu denken war, hat mein Opa als Pfarrer gearbeitet. Leider durfte ich ihn nie kennenlernen, aber ich bin mir sicher, dass er trotzdem von oben auf mich aufpasst. Und vielleicht ist er zumindest ein kleines bisschen stolz auf das, was ich hier so anstelle.
Jedenfalls war schon meine Kindheit vom Glauben geprägt. Meine Oma hat mir immer ganz großartige Bildergeschichten aus der Bibel vorgelesen, das waren so Bücher wo man auch kleine Fenster aufklappen konnte und so was. Fand ich natürlich entsprechend faszinierend. Außerdem hat sie ein Talent dafür, diese Geschichten kindgerecht zu erzählen.
Außerdem wurde jeden Abend gebetet, manche der kurzen Texte aus meinem Gebetsbuch kann ich bis heute auswendig und ich freue mich jedes Mal, wenn ich zu einer Gelegenheit Ausschnitte dieser Gebete höre. Und natürlich sind wir auch ab und an in die Kirche gegangen. Wobei ich sagen muss, dass mich das eher kalt gelassen hat, aber schlafen ging auf Mamas Schoß immer und überall. Kirchenschlaf ist sehr gesund und erholsam, muss ich sagen.

Und so wuchs ich heran, irgendwann ging ich zur Christenlehre in die Gemeinde, das war auf jeden Fall sehr spaßig. Wir haben jede Menge gebastelt und es gab auch die ein oder andere Geschichte zu hören. Ach ja, gesungen wurde auch immer ganz viel, halt so Sachen, die Kindern Spaß machen.
Der Religionsunterricht in der Schule war eine andere Sache. In meinen 12 Schuljahren habe ich so manchen Reli-Lehrer erlebt und na ja, abgesehen von einem war das alles eher Mist. Abgesehen davon kannte ich das meiste auch schon aus meiner Kindheit, war also eher langweilig – aber ein Selbstläufer, bei dem gute Noten ohne Aufwand heraussprangen.
In der 7. Klasse wurde es dann Zeit, sich zu entscheiden: Im nächsten Jahr Konfirmation oder Jugendweihe?
Die Gegend, aus der ich komme, ist ehemaliges Grenzgebiet. Das heißt, dass viele Familien schon in der DDR dort gewohnt haben. Damals war Kirche nicht unbedingt ‚IN‘, was sich bis heute durchzieht. So haben sich die meisten meiner Freunde für die Jugendweihe entschieden, auch die, mit denen ich noch ein paar Jahre vorher in der Christenlehre Kerzen gebastelt habe. In meiner Familie herrschte hingegen das Credo: Entweder Konfirmation oder es gibt keine Feier und keine Geschenke.
Für euch mag das vielleicht hart klingen, aber für mich stand etwas anderes als Konfi nie so richtig zur Debatte.
Also habe ich mit zwei anderen Jugendlichen, darunter meiner besten Freundin, JA zur Kirche gesagt. Damals hatte das für mich aber nicht so richtig eine Bedeutung, muss ich zugeben. Das kam erst ein bis zwei Jahre später.
Meine beste Freundin zerrte mich zu einem Jugendgottesdienst in die Landeshauptstadt. Dort traf ich wider Erwarten meine Cousine (hier beliebigen Grad >2 einfügen…), die ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Wie sich herausstellte arbeitet sie beim CVJM, der auch diesen Gottesdienst organisierte. Und so rutschte ich da auch rein, beim nächsten Mal war ich schon als Mitarbeiter unterwegs, das ist jetzt fast 5 Jahre her und ich bin immer noch sehr begeistert davon. Inzwischen bin ich nicht nur beim Jugendgottesdienst dabei, sondern fahre auch demnächst mit auf die Zeltstadt, eine Woche christliches Zeltlager in ganz groß.
In der bisherigen Zeit habe ich viele ganz tolle und faszinierende Menschen getroffen. Und es ist so toll, dass wir alle etwas haben, das uns verbindet: Den Glauben.
Über die Jahre habe ich zu diesem Thema unglaublich viel gelernt, bin gereift und erwachsen geworden. Ich weiß jetzt, dass mehr dahinter steckt, als sich am frühen Sonntagmorgen von einem älteren Herren von der Kanzel berieseln zu lassen. Und es gibt so viel mehr christliche Musik, als die verstaubten Kirchenlieder, die so hoch angesetzt sind, dass es nur noch furchtbar schief klingt. Wer Lut auf ein paar Liedempfehlungen hat, darf sich gerne melden!

Ich war nie jemand, der jeden Sonntag in die Kirche geht. Ja, ich bin Mitglied der Evangelischen Kirche und nein, ich habe nicht vor, auszutreten. Es passiert viel und einiges davon ist ganz große Scheiße, sind wir doch ehrlich. Aber es bringt nichts, davor wegzulaufen. In meiner Gemeinde passiert ganz viel Jugendarbeit und ich freue mich, dass wir jetzt ein Jugendzentrum aufbauen können. Es ist genial, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein, die sich über Generationen hinweg irgendwie zusammenrauft und miteinander auskommt. Es gibt noch einige Hürden und vieles werden wir wohl auch einfach nicht mehr bewältigen können. Aber wenn jeder einen kleinen Teil dazu beiträgt, dann können wir eines Tages die alten Herren mit ihren festgefahrenen und verstaubten Einstellungen ablösen.
Nein, der Glaube passiert außerhalb der Kirchenmauern. Für mich geht es darum, mich an den Normen und Werten zu orientieren, die ich schon in die Wiege gelegt bekommen habe. Und da steht ganz viel Liebe im Mittelpunkt! Ganz oben: Nächstenliebe. Ich habe mich schon immer sozial engagiert und für mich ist es keine Arbeit, jemandem zu helfen. Es ist eine Selbstverständlichkeit.
Ein anderes Thema ist Vergebung. Ich muss gestehen, dass mir das nicht immer leicht fällt. Wenn ich mit jemandem überhaupt nicht zurechtkomme, dann ist es schwer, ihm Fehltritte zu verzeihen. Und doch finde ich es so wichtig, schließlich ist niemand von uns auch nur annährend perfekt.
Ihr denkt jetzt vielleicht: „Dafür brauche ich doch keine Kirche! Normen und Werte? Finde ich in der Verfassung!“ Tja, tut mir leid, es euch sagen zu müssen: Vieles, was in unserer Verfassung steht, steht auch so ähnlich in der Bibel. Und jetzt überlegen wir mal, was älter ist.

Da sind wir auch schon beim nächsten Thema: Die Bibel. In der Vergangenheit ist viel Unrecht passiert, was mit diesem Buch gerechtfertigt wurde. Wir töten Menschen anderer Religionen? Oder welche, die eben nicht an Gott glauben? Passt, steht doch so in der Bibel!
Freunde, so leicht ist das aber nicht! Nur, weil in einem Buch, was vor verdammt langer Zeit geschrieben wurde, steht, dass du nach dem Tod deines Bruders dessen Frau heiraten sollst, machst du es doch auch nicht! Deshalb finde ich Fundamentalisten und Extremisten, egal welche Einstellung (politisch oder religiös), ganz furchtbar.
In der Schule habe ich mal gelernt, dass man Texte nicht einfach nur lesen, sondern analysieren und interpretieren soll. Und das gilt ganz besonders für alte Texte. Ich für meinen Teil lese gerne Bibel, weil ich die Geschichten so schön finde, vieles ist einfach nur faszinierend und wer mal wissen will, wie die Leute von „Supernatural“ auf ihre Ideen kommen, sollte sich mal die Offenbarungen des Johannes näher anschauen.
Natürlich muss man kein Abi haben, um zu verstehen, dass die Sache mit Adam und Eva in der Form nicht funktioniert. Und dass man mit über 100 keine Kinder mehr bekommen kann, schon gar nicht so viele. Aber muss deswegen alles Schrott sein, was drin steht?
Für mich ist die Welt durchaus von Gott geschaffen. Nicht in sieben Tagen. Aber man muss die Tage ja nicht so wortwörtlich nehmen… Ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, dass das ganze Leben einfach nur ein Zufall war, und dass wir ohne jeden Sinn leben und sterben, einfach nur, weil irgendwo ein paar Moleküle spontan gesagt haben: Jo, Leben, klingt geil, lass mal machen! (So leicht war es nicht, ist mir schon klar…) Da muss es doch noch mehr geben! Ja, ich bin ein Verfechter der Naturwissenschaften, warum auch nicht? Ist doch alles logisch! Nur mit dem Unterschied, dass ich denke, dass unsere Begabung dafür nicht zufällig ist, sondern eben gottgewollt.

Ja, ich glaube auch daran, dass Jesus gelebt hat. Und auch daran, dass er gestorben und auferstanden ist. Bis auf den letzten Teil ist übrigens auch viel historisch nachzuvollziehen, wenn auch nicht ganz wie es in der Bibel steht.
Und trotzdem glaube ich, dass er für unsere Sünden gestorben und für uns wieder auferstanden ist. Heute ist Ostern! Heute ist der Tag der Tage, an dem wir das Leben feiern wie nie!
Diese Auferstehungssache gibt uns jetzt keinen Freifahrtschein, dass wir tun und lassen können, was wir wollen. Jeder ist für seine Taten verantwortlich und jeder hat sich an geltendes Recht zu halten. Doch es ist so befreiend, wenn man weiß, dass es jemanden gibt, dem man nicht egal ist, der einen liebt, auch wenn man so richtig verkackt hat, abgesehen von der Familie (die haben eh keine Wahl).
Abgesehen davon finde ich die Vorstellung, dass der Körper nach dem Tod einfach nur unter der Erde verrottet mehr als gruselig. Es ist tröstlich, wenn ich mir vorstelle, dass meine Seele dann schon an einem anderen Ort ist. Wo das ist? Keine Ahnung! Aber eines Tages werde ich es herausfinden.

Und ja, ich bete! Wenn es schwierig ist, dann bete ich um Hilfe, um eine Eingebung, wohin mich mein Weg führen soll. Und wenn man sich darauf verlässt, dann kommt auch Antwort. Das heißt nicht, dass man vor einer Prüfung um richtige Antworten betet und dann nicht mehr lernt. So funktioniert das nicht! Ich bitte dann um Durchhaltevermögen, um Stärke und um ein Quäntchen Glück.
Es ist schwer zu beschreiben, aber man merkt es, wenn man auf dem falschen Weg ist. Mein Medizinstudium zum Beispiel. Egal, wie sehr ich mich angestrengt und was ich versucht habe: Ich bin immer wieder durchgefallen! Obwohl ich die Themen verstanden habe und obwohl ich mir sicher war, alles gewusst zu haben. Am Ende hat dann der entscheidende Punkt gefehlt. Und wenn man sowas über einen längeren Zeitraum immer wieder erlebt, beginnt man schon, sich Gedanken zu machen. Jetzt geht es mir gut. Ich merke, dass ich auf dem Weg dorthin bin, wo ich ankommen, wo ich meine Berufung finden werde. Und es ist ein tolles Gefühl!
Wenn es mir dann gut geht, wie zurzeit, dann danke ich Gott für alles, was er mir schenkt. Für meine Privilegien und das Glück, was ich mit meiner Familie und meiner Beziehung habe. Für meine Freundschaften. Für mein tolles Leben.

Ihr merkt, Christ sein hat ganz viel mit Freude und Dankbarkeit zu tun, mit Liebe und Geborgenheit. Es ist immer jemand da, zu dem ich sprechen kann, der mir meinen Weg zeigt, wenn ich nicht weiter weiß. Und ich bin stolz darauf, dass ich ein Teil des großen Ganzen sein darf, dass ich früh um 5:30 Uhr unter freiem Himmel am Osterfeuer stehe, wo vorne zwei Jugendliche getauft werden. Und trotz der frühen Uhrzeit sieht man überall nur lächelnde Gesichter.

Wenn ihr jetzt immer noch denkt: „Boah, die Alte hat doch nen Sockenschuss!“, dann ist das okay. Ich kann verstehen, wenn ihr denkt, dass ich weltfremd bin und mir das Leben zu leicht mache. Und ich kann damit leben, wenn ihr jetzt den größtmöglichen Abstand sucht.
An alle anderen: Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, diesen Text zu lesen und vielleicht ein klein wenig besser zu verstehen, warum ich so handle wie ich es tue. Jetzt kennt ihr mich noch ein bisschen besser und ich hoffe, dass ihr mich weiterhin auf meinem Weg begleitet.

Und nun wünsche ich euch ein frohes und gesegnetes Osterfest! Geht raus in die Sonne, genießt das Leben und macht was aus dem Geschenkt, auf dieser Welt zu sein.

Liebe Grüße,
Kaisa



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