„Ach, du studierst Medizin? Da schneidet man doch an Leichen
rum, oder?“
So, oder so
ähnlich, reagieren ca. 80% der Leute, wenn ich ihnen erzähle, was ich mache.
Dabei ist es vollkommen unerheblich, wie alt die Gesprächspartner sind.
Die anderen
20% bringen einem so Sätze wie „Ach, ich könnte das nicht! Das wäre mir viel zu
eklig“ oder „Was? Und da verlässt du mehr als zwei Stunden das Haus? Musst du
nicht lernen?“ entgegen.
Also, was
ist dran an den Vorurteilen? Und warum zum Geier tut sich jemand freiwillig
diesen Stress an?
Zu
allererst: Ich wollte schon irgendwas mit Medizin machen, da konnte ich grade
so selbst lesen. Kennt ihr diese „Wieso, Weshalb, Warum?“-Bücher? Die Ausgabe
„Wir entdecken unseren Körper“ war sozusagen mein Schatz. Am Ende konnte ich
das Teil fast auswendig.
Trotz
jahrelanger Recherche und durchaus zeitaufwendiger Vorbereitung, inklusive
Probestudium, ist die Realität dann doch etwas anders.
Ich, die in
der Schulzeit so gut wie nie auf Tests lernen musste und auch meine Abiturvorbereitung
auf ein paar Tage beschränkt hatte, stand erstmal vor einer großen
Herausforderung: Wie schaffe ich es, mehrere Stunden am Stück zu lernen und wie
kriege ich 300 Seiten Anatomieatlas innerhalb von 3 Wochen meinen Kopf?
Zu meiner
Schande muss ich gestehen, dass ich das bis heute noch nicht ganz raus habe.
Und so schlitterte ich von einer Wiederholungsprüfung in die nächste und jetzt
habe ich tatsächlich auch einen 3. Versuch, also die letzte Chance vor der
Exmatrikulation, vor mir. Ich könnte mich jedes Mal wieder in den Arsch treten,
weil meist nur einzelne Punkte fehlen, die mit ein paar Minuten mehr
Lernaufwand sicher zu bekommen wären. Aber hinterher ist man meistens schlauer
und ich denke, dass ich auf einem ganz guten Weg bin.
Das Problem
ist natürlich der innere Schweinehund, denn es zu überlisten gilt, grade, wenn
die Prüfungsphase vor der Tür steht. Also, auf zu Vorurteil 1:
Medizinstudenten
sind nur am Lernen
Ja und nein.
Ja, gerade in der Vorklinik nimmt der Berg an Lernstoff immer mehr zu und es scheint
einfach kein Ende in Sicht zu sein. Muskeln, Nerven, Gehirnwindungen reihen
sich ein mit Stoffwechselwegen (inklusive Strukturformeln) und der Erklärung
physiologischer Vorgänge.
Und ja,
selbst unsere Profs sagen teilweise, dass man das einfach auswendig lernen muss
und später wieder vergessen kann.
Ihr kennt ja
bestimmt den Witz mit dem Telefonbuch… (Wer ihn nicht kennt, meldet sich
einfach mal, ich teile den gerne mit euch) Das stimmt in Teilen wirklich. Aber
oft muss man den Stoff auch einfach nur verstehen und dann kann man sich viel
Arbeit ersparen.
Und nein,
wir lernen nicht nur. Wir haben auch Freizeit, ob man es glaubt oder nicht.
Viele von uns treiben Sport, machen Musik oder engagieren sich ehrenamtlich.
Außerdem sind die Medizinerpartys legendär! Also, wir kommen auch mal vor die
Tür und das nicht nur für den Weg in die Bibliothek.
Natürlich
nimmt die Lernerei einen Großteil des Lebens ein. Aber man muss sich auch mal
Pausen gönnen, sonst dreht man (noch mehr als sonst) am Rad!
So, weiter
im Text. Was machen wir also, wenn wir nicht über Büchern brüten, sondern mal
was Praktisches machen dürfen? Immerhin sollten wir nicht sofort und ohne
Vorbereitung auf die Menschheit losgelassen werden. Also reden wir Klartext zum
Thema:
Medizinstudenten
schnippeln an Toten herum
Ja, ja und
ja. Hier geht es um den Präparierkurs, dem ich demnächst einen eigenen Post
widmen möchte, da mir diese Thema wirklich am Herzen liegt. Gerade im Hinblick
auf die ethischen Bedenken. Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, stay tuned!
Hier nur so viel:
Wir haben das große Privileg, von unseren Körperspendern mehr über den
menschlichen Körper lernen zu dürfen. Ja, dazu schneiden wir daran herum. Aber
überlegt euch vielleicht das Eine, bevor ihr laut „Ihh, Bäh, Pfui“ schreit: Wäre
es euch lieber, dass der Operateur bei der Blinddarm-OP bei euch zum ersten Mal
einen Menschen von Innen sieht und dann erstmal ausprobieren muss, wie man da
so schneidet und ups- den Nerv hätte er jetzt lieber ganz lassen sollen, aber
na ja, es gibt ja für alles ein 1. Mal. Wer kann auch damit rechnen, dass das
so schnell kaputt geht?
Dazu passt
das letzte große Vorurteil, mit dem ich mich recht häufig konfrontiert sehe:
Medizinstudenten
sind alle pervers, sonst könnten sie mit dem ganzen Ekelkram gar nicht umgehen
Mhm, wahrscheinlich
stimmt das in gewisser Art und Weise sogar. Demnächst folgt ein Post zu meinem
Pflegepraktikum und na ja, es gibt schon einiges an Flüssigkeiten, die aus so
einem Körper raus kommen.
Am Ende gilt
das aber für jeden, der im medizinischen Bereich oder auch sonst irgendwie mit
Menschen arbeitet, man denke da nur an die Erzieher.
Klar, nicht
jeder kann Blut sehen und das ist ja auch vollkommen okay. Aber im Allgemeinen
ist das Studium nicht so aufsehenerregend eklig. Auch wenn so was natürlich
immer im Auge des Betrachters liegt.
Am Ende muss
natürlich jeder selbst entscheiden, ob einem so etwas liegt oder nicht. Ich
persönlich liebe die Inhalte meines Studiums zum überwiegenden Teil und weiß ja
auch, für welches Ziel ich das mache. Aber bei dir kann das ja wieder ganz
anders sein.
Also, fragt
lieber nach, bevor ihr euch ein vorschnelles Urteil bildet. Einiges stimmt
zwar, aber oft ist das nicht ganz so schrecklich, wie es einem erzählt wird.
Liebe Grüße,
Kaisa!
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