Sonntag, 20. Januar 2019

Warum Medizinstudenten seltsam sind... Zum Thema Vorurteile


„Ach, du studierst Medizin? Da schneidet man doch an Leichen rum, oder?“

So, oder so ähnlich, reagieren ca. 80% der Leute, wenn ich ihnen erzähle, was ich mache. Dabei ist es vollkommen unerheblich, wie alt die Gesprächspartner sind.
Die anderen 20% bringen einem so Sätze wie „Ach, ich könnte das nicht! Das wäre mir viel zu eklig“ oder „Was? Und da verlässt du mehr als zwei Stunden das Haus? Musst du nicht lernen?“ entgegen.
Also, was ist dran an den Vorurteilen? Und warum zum Geier tut sich jemand freiwillig diesen Stress an?

Zu allererst: Ich wollte schon irgendwas mit Medizin machen, da konnte ich grade so selbst lesen. Kennt ihr diese „Wieso, Weshalb, Warum?“-Bücher? Die Ausgabe „Wir entdecken unseren Körper“ war sozusagen mein Schatz. Am Ende konnte ich das Teil fast auswendig.
Trotz jahrelanger Recherche und durchaus zeitaufwendiger Vorbereitung, inklusive Probestudium, ist die Realität dann doch etwas anders.
Ich, die in der Schulzeit so gut wie nie auf Tests lernen musste und auch meine Abiturvorbereitung auf ein paar Tage beschränkt hatte, stand erstmal vor einer großen Herausforderung: Wie schaffe ich es, mehrere Stunden am Stück zu lernen und wie kriege ich 300 Seiten Anatomieatlas innerhalb von 3 Wochen meinen Kopf?
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das bis heute noch nicht ganz raus habe. Und so schlitterte ich von einer Wiederholungsprüfung in die nächste und jetzt habe ich tatsächlich auch einen 3. Versuch, also die letzte Chance vor der Exmatrikulation, vor mir. Ich könnte mich jedes Mal wieder in den Arsch treten, weil meist nur einzelne Punkte fehlen, die mit ein paar Minuten mehr Lernaufwand sicher zu bekommen wären. Aber hinterher ist man meistens schlauer und ich denke, dass ich auf einem ganz guten Weg bin.

Das Problem ist natürlich der innere Schweinehund, denn es zu überlisten gilt, grade, wenn die Prüfungsphase vor der Tür steht. Also, auf zu Vorurteil 1:

Medizinstudenten sind nur am Lernen

Ja und nein. Ja, gerade in der Vorklinik nimmt der Berg an Lernstoff immer mehr zu und es scheint einfach kein Ende in Sicht zu sein. Muskeln, Nerven, Gehirnwindungen reihen sich ein mit Stoffwechselwegen (inklusive Strukturformeln) und der Erklärung physiologischer Vorgänge.
Und ja, selbst unsere Profs sagen teilweise, dass man das einfach auswendig lernen muss und später wieder vergessen kann.
Ihr kennt ja bestimmt den Witz mit dem Telefonbuch… (Wer ihn nicht kennt, meldet sich einfach mal, ich teile den gerne mit euch) Das stimmt in Teilen wirklich. Aber oft muss man den Stoff auch einfach nur verstehen und dann kann man sich viel Arbeit ersparen.
Und nein, wir lernen nicht nur. Wir haben auch Freizeit, ob man es glaubt oder nicht. Viele von uns treiben Sport, machen Musik oder engagieren sich ehrenamtlich. Außerdem sind die Medizinerpartys legendär! Also, wir kommen auch mal vor die Tür und das nicht nur für den Weg in die Bibliothek.
Natürlich nimmt die Lernerei einen Großteil des Lebens ein. Aber man muss sich auch mal Pausen gönnen, sonst dreht man (noch mehr als sonst) am Rad!

So, weiter im Text. Was machen wir also, wenn wir nicht über Büchern brüten, sondern mal was Praktisches machen dürfen? Immerhin sollten wir nicht sofort und ohne Vorbereitung auf die Menschheit losgelassen werden. Also reden wir Klartext zum Thema:

Medizinstudenten schnippeln an Toten herum

Ja, ja und ja. Hier geht es um den Präparierkurs, dem ich demnächst einen eigenen Post widmen möchte, da mir diese Thema wirklich am Herzen liegt. Gerade im Hinblick auf die ethischen Bedenken. Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, stay tuned!
Hier nur so viel: Wir haben das große Privileg, von unseren Körperspendern mehr über den menschlichen Körper lernen zu dürfen. Ja, dazu schneiden wir daran herum. Aber überlegt euch vielleicht das Eine, bevor ihr laut „Ihh, Bäh, Pfui“ schreit: Wäre es euch lieber, dass der Operateur bei der Blinddarm-OP bei euch zum ersten Mal einen Menschen von Innen sieht und dann erstmal ausprobieren muss, wie man da so schneidet und ups- den Nerv hätte er jetzt lieber ganz lassen sollen, aber na ja, es gibt ja für alles ein 1. Mal. Wer kann auch damit rechnen, dass das so schnell kaputt geht?

Dazu passt das letzte große Vorurteil, mit dem ich mich recht häufig konfrontiert sehe:

Medizinstudenten sind alle pervers, sonst könnten sie mit dem ganzen Ekelkram gar nicht umgehen

Mhm, wahrscheinlich stimmt das in gewisser Art und Weise sogar. Demnächst folgt ein Post zu meinem Pflegepraktikum und na ja, es gibt schon einiges an Flüssigkeiten, die aus so einem Körper raus kommen.
Am Ende gilt das aber für jeden, der im medizinischen Bereich oder auch sonst irgendwie mit Menschen arbeitet, man denke da nur an die Erzieher.
Klar, nicht jeder kann Blut sehen und das ist ja auch vollkommen okay. Aber im Allgemeinen ist das Studium nicht so aufsehenerregend eklig. Auch wenn so was natürlich immer im Auge des Betrachters liegt.

Am Ende muss natürlich jeder selbst entscheiden, ob einem so etwas liegt oder nicht. Ich persönlich liebe die Inhalte meines Studiums zum überwiegenden Teil und weiß ja auch, für welches Ziel ich das mache. Aber bei dir kann das ja wieder ganz anders sein.
Also, fragt lieber nach, bevor ihr euch ein vorschnelles Urteil bildet. Einiges stimmt zwar, aber oft ist das nicht ganz so schrecklich, wie es einem erzählt wird.

Liebe Grüße,
Kaisa!

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